Werkeinführung
Thomas Buchholz: Signale für Trompete solo (1992)
Entstehung:
1992 im Auftrag der Staatlichen Galerie Moritzburg Halle für eine
Ausstellung konstruktivistischer Malerei und Grafik (13.9. 1992 - 15.11.1992).
Das Werk ist eigenständiger Teil einer Gemeinschaftsarbeit mit den Komponisten Gerd Domhardt, Thomas
Müller und Klaus-Hinrich Stahmer. In mehreren Räumen der Ausstellungsfläche
wurden mehrfache Aufführungen realisiert. Der Titel des Gesamtprojekts lautet “Correspondances -
Musique ? K.I.”, wobei “K.I.” für “Konstruktivistische Internationale” steht, womit die
“Konstruktivistische internationale schöpferische Arbeitsgemeinschaft” abgekürzt
wird.
Signale sind Zeichen oder kurze Zeichenketten mit einer vereinbarten
Bedeutung. Dabei ist für die Kategorie vollkommen unerheblich, in welcher Weise
diese Vereinbarung getroffen wurde und ob eine allgemeine Verständlichkeit vorausgesetzt werden
kann. Diese deutliche Beschränkung kompositorischer Mittel auf Einzelzeichen, die auch
Ketten bilden, ist der musikalische Bezug zur konstruktivistischen Idee im bildkünstlerischen
Bereich. Die offene Korrespondenz zwischen Bild und Musik findet damit lediglich architektonisch
statt. Der Titel hingegen assoziiert eine ganze Reihe weiterer außermusikalischer
Überlegungen, so daß die Architektur lediglich Mittel zum Zweck war. Werkaussage:
“...und sendet / hilflos / Signale / die keiner hört / und keiner sieht / und keiner will /
Und keiner / auch nicht einer / bereit ist / zu verstehen / Obwohl / ( jeder weiß es / jeder sieht es
/ jeder fühlt es)/ JEDER / sie versteht...” (Buchholz: Kammersinfonie X “Gethsemane” nach I. Stein)
Signale als unentschlüsselte Zeichenträger - Mahnung. Signale
aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt. Signale mit dem postalen Vermerk “Empfänger unbekannt”.
Wenn wir uns mit Geschichte als Traditionsbewußtmachung auseinandersetzen, ist
die Gefahr eines Verfalls in Historismus immer sehr groß. Auseinandersetzung mit Historie
schließt für mich ein, daß wir uns bereit machen, als Adressaten von historischen Botschaften. In der
bedeutenden Zeit der Wettiner waren musikalische Signale ein allgemein übliches Verständigungsmittel.
Mit den Glocken riefen sie zum Gebet oder kündigten eine Feuersbrunst
an - mit Fanfarentrompeten begleiteten sie die Kriege, derer es aufgrund der destabilen Reichsgewalt
zur Zeit Konrads von Wettin etliche gab. 900 Jahre danach musikalisiere ich den Rest, aufgefangene
Bruchstücke aus anderer Zeit; einer Zeit großer Umbrüche und neuer Aufbrüche.
Auch im ausgehenden 20. Jahrhundert konstatieren wir eine politische Situation, die von Um-
und Aufbrüchen gekennzeichnet ist und sich für viele Menschen das Bild von Destabilität
in ihrem ureigensten Lebensumfeld ergibt. Alte und neue Signale überlagern sich, Fragmente
fügen sich zu einer neuen Kette. Da sind die leisen Zeichen, die glosiosen Töne und die
Schreie der Verzweifelten - damals wie heute. Und die Kette der Signale reißt nicht ab ...
Struktur:
Drei Motivgruppen in kontrastierender Beziehung:
- Quintolen-Motiv - repetierend
- Sekundmelodik in exponierter Lage
- 16-tel-Ketten in Sekundbewegung
durch Verwendung vier verschiedener Dämpfer insgesamt 5 Klangzustände in wechselnder
Anwendung, motivisches Überlagerungsprinzip, offene Form
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